Auf Einladung der Heinrich Böll Stiftung diskutierte Steffi Lemke am Dienstag Abend mit dem Meeresbiologen und Meeresschützer Prof. Callum Roberts zum Thema „Ocean of Life – Wie der Mensch die Meere verändert“. Im Einführungsvortrag der Green Lecture zeichnete Callum ein finsteres Bild vom Zustand der Meere: Die Meere werden ihrer Reichtümer beraubt und mit Dreck gefüllt. Überfischung, Tiefseebergbau und Plastikmüll bedrohen nicht nur den Lebensraum unzähliger Pflanzen und Tiere, sondern das gesamt Ökosystem Meer. Bereits ein Viertel aller Korallen weltweit sind an den Folgen zugrunde gegangen. Callum machte deutlich, dass die Auswirkungen der Klimakatastrophe, der Überfischung und der Umweltverschmutzung auf das Meer für den Menschen noch nicht wirklich erfahrbar sind.
Denn nur langsam entwickle sich eine Vorstellung von der unermesslichen Vielfalt des Ökosystems Meer und von der Bedeutung des Meeres für unser Leben. Exemplarisch berichtet er von den Fischbeständen, so wurde in den 1880er Jahren fünf Mal mehr Fisch gefangen als heute, obwohl die Fischerei damals weniger effektiv war, aber insgesamt hat wesentlich mehr Fisch gegeben. Dass sich der Fischfang heute noch ökonomisch rentiert, liegt vor allem an immer größeren und effektiveren Booten – von den Fischbeständen gibt es heute nur noch einen Bruchteil. Auch wenn die Lage der Meere kritisch ist, besteht Hoffnung: Es sei noch nicht zu spät, der Zerstörung der Meere Einhalt zu gebieten. Gegen die gravierenden Auswirkungen menschlichen Handelns und für den Schutz der großen Reichtümer unsere Meere stellte Callum den New Deal for the Oceans. Die drei wichtigsten Maßnahmen sind laut Callum die Einrichtung von weiteren Meeresschutzgebieten, die Reduzierung von CO2-Emissionen und ein Ende der massiven Überfischung.
Steffi Lemke machte in ihrem anschließenden Statement darauf aufmerksam, dass die Problemlage der Klimakatstrophe inzwischen erkannt ist und das Politik und Gesellschaft auf dem Weg sind, an der Lösung zu arbeiten. Im Gegensatz dazu wird über den Zustand der Meere, obgleich die wissenschaftlichen Fakten bekannt sind, weder eine große gesellschaftliche Diskussion geführt noch besteht ein öffentliches Bewusstsein für die Probleme. Es mangelt an einem guten und nachhaltigen Management für die Meere. Steffi Lemke verwies ein Gutachten des Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung (WBGU) „Welt im Wandel – Menschheitserbe Meer“. Dieses benennt eindeutig die derzeitigen Defizite der bestehenden Meeres-Governance: unbeschränkte Nutzungsbefugnisse auf der Hohen See, fehlende Sanktionsmöglichkeiten im Seerecht und die starke Fragmentierung der Meeres-Governance. Um das zu ändern, plädieren die Wissenschaftler für die Umsetzung von drei Leitprinzipien: Die Meere als Menschheitserbe anerkennen, die Berücksichtigung der Land-Meer Interaktion, wie beispielsweise Plastikproduktion und Einträge von Nährstoffen aus der Landwirtschaft, und eine Vorsorge gegen mögliche Umweltschäden auf dem neusten Stand von Technik und Wissenschaft. Dies ist ein Leitgedanke, der bereits in regionalen Meeresschutzabkommen verankert ist, aber nur selten zur konkreten und stringenten Anwendung kommt.
Das Fazit des Abends: Unsere Meere sind in Not. Nicht nur die Probleme der Meere sind bekannt, sondern auch die notwendigen Schritte und Maßnahmen. Es muss gelingen, eine starke öffentliche Diskussion herzustellen, die zivilgesellschaftliches Engagement erzeugt. Nur so wächst der Druck auf die Politik und beim Meeresschutz kann vom Schneckentempo in den Turbo umgeschaltet werden.
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