Die EU will ihre Naturschutzrichtlinien modernisieren. Dies geschieht im Rahmen des sogenannten REFIT-(„Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung“)-Prozesses und der Name lässt schon erahnen, was mit Modernisierung gemeint ist: Der Naturschutz soll geschliffen werden. 20 Jahre erfolgreiche Naturschutzpolitik wird damit ins Wanken gebracht. Es besteht die Gefahr, das weltweit größte Netzwerk an Schutzgebieten (Natura 2000) und alle Errungenschaften im Arten- und Naturschutz aufs Spiel zu setzen.
Naturschutz modernisieren?
Seit Anfang des Jahres evaluiert die Europäische Kommission nun die EU-Vogelschutz und Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie. Mit einem „Fitness-Checks“ prüft sie, ob diese Naturschutzrichtlinien nicht „überproportional“ hohe Kosten und Schwierigkeiten für die Wirtschaft bewirken und ob man sie nicht zusammenlegen und modernisieren könnte. Um „Fitness“ geht es dabei eher weniger, vielmehr wird hier die Abrissbirne des Naturschutzes geschwungen, um Wirtschaftswachstum und Deregulierung voranzutreiben.
Gefahr für den Naturschutz
Würden die Naturschutzrichtlinien (Vogelschutzrichtlinie, FFH-Richtlinie) zum jetzigen Zeitpunkt geändert, wäre der Naturschutz in großer Gefahr: Das komplette Regelwerk müsste jahrelange politische Verhandlungen durchlaufen, in denen alle Einzelaspekte zur Disposition stünden. Entscheidende Schutzbemühungen würden um Jahre verzögert, neue Ausnahmen und Schlupflöcher würden entstehen und die Lage und der Status von Schutzgebieten blieben auf Jahre erneut unklar. Die rechtlichen Unsicherheiten würde Investitionen, Vorhaben und damit neben dem Naturschutz auch der Wirtschaft enorm schaden.
Natura 2000 ein Erfolg
Die Europäische Union beschloss 1992, ein Schutzgebietsnetz (Natura 2000) aufzubauen, das dem Erhalt wildlebender Pflanzen- und Tierarten und ihrer natürlichen Lebensräume dient. Das Netz Natura 2000 besteht aus den Gebieten der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie (FFH-Richtlinie, Mai 1992, 92/43/EWG) und der Vogelschutzrichtlinie (April 1979, 79/409/EWG). In Deutschland sind 15,4 Prozent der terrestrischen rund 45 Prozent der marinen Fläche Natura-2000-Gebiete.
Natura 2000 ist extrem wichtig für die biologische Vielfalt und unverzichtbar für den Naturschutz in Deutschland. Natura 2000 hat eine exzellente Kosten-Nutzen-Bilanz und ist insbesondere für wandernden Arten unerlässlich. In vielen EU-Ländern bieten ihnen die Richtlinien den einzigen Schutz. Seeadler, Kranich, Wildkatze und Biber feiern spektakuläre Comebacks. Doch neben Erfolgen sind weiterhin große Verluste der Biodiversität in Deutschland und der gesamten EU zu verzeichnen. Dies liegt zuvorderst an mangelhafter Umsetzung und Finanzierung der Richtlinien.
Natura 2000 retten
Vom 30.4. bis 24.7. läuft eine Online-Befragung zur Zukunft der EU-Naturschutzgesetzgebung. Hier können sich alle Bürgerinnen und Bürger beteiligen und der EU-Kommission sagen, dass ihnen Naturschutz wichtig ist. Je mehr Menschen sich beteiligen desto besser. Umweltverbände haben dazu ein One-Klick Verfahren entwickelt: https://www.naturealert.eu/de. Anfang 2016 stellt Umweltkommissar Vella dann die Ergebnisse des sogenannten „Fitness-Checks“ vor. Gleichzeitig wird er mögliche Änderungen der Richtlinien vorlegen – oder aber, wenn die Stimme des Naturschutzes stark genug ist, eine Naturschutzoffensive starten, um das Artensterben doch noch zu stoppen.
Verwandte Artikel
Mehr Raum für naturnahe Flussgebiete
Die Anpassung von Landschaften an den Klimawandel ist eine politische Kernaufgabe für den Schutz von Menschen, Natur und Wirtschaftsgütern. Die Wiederherstellung von naturnahen Flussläufen und Auen ist dabei von zentraler…
Weiterlesen »
Die frei fließende Oder vor Ausbau schützen und wertvolle Natur bewahren
Die Bewahrung natürlicher Flusslandschaften und angrenzender Biotope an den Flüssen und Strömen Deutschlands hat für die Parlamentarische Gruppe Frei Fließende Flüsse des Deutschen Bundestages einen hohen Stellenwert. Die Mitglieder der…
Weiterlesen »
Schutz von Insekten vorerst gescheitert
Gestern wurde im Plenum die Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes beschlossen. Steffi Lemke: „Ich hatte vor vier Jahren Hoffnung. Ich hatte Hoffnung, dass wir beim Insektenschutz vorankommen. Wir hatten eine große gesellschaftliche…
Weiterlesen »