Ein Tag für eine ökologischere Politik – „Wir haben es satt!“-Demo und grüne Agrarkonferenz

Steffi Lemke auf der "Wir haben es satt!"-Demo

Bild: Franz Mönke

Am vergangenen Samstag kamen in Berlin 18.000 Menschen zusammen, um gemeinsam mit der grünen Bundestagsfraktion und vielen anderen Akteuren vom Wir haben es satt!-Bündnis gegen die  industrialisierte konventionellen Landwirtschaft, die Macht der Agrarlobby und für gesundes Essen, eine bäuerlich-ökologischere Landwirtschaft, artgerechte Tierhaltung und fairen Handel zu protestieren: Bunt, kreativ und laut.

In diesem Jahr war insbesondere der Protest gegen die geplante Fusion des deutschen Chemiekonzerns Bayer mit dem US-Saatguthersteller Monsanto eines der wichtigsten Themen für die Demonstrant*innen. Auch die grüne Bundestagsfraktion bewertet den Deal sehr kritisch und sieht die neue Marktmacht von „Baysanto“ mit großer Sorge. Durch die Fusion hätte dieser Megakonzern Kontrolle über ca. ein Drittel des weltweiten Saatguts und ist gleichzeitig einer der größten Hersteller für naturschädliche Pestizide und Insektizide – wie die bienenschädlichen Neonicotinoide.

"Wir haben es satt!" - Für gesundes Essen, eine bäuerlich-ökologischere Landwirtschaft, artgerechte Tierhaltung und fairen Handel

Bild: Franz Mönke

Im Anschluss an Kundgebung und Demonstration wurden alle Teilnehmer*innen zur  Agrarkonferenz der grünen Bundestagsfraktion eingeladen. „Mächtig gut? Essen braucht Vielfalt statt Konzernmacht“ – Unter diesem Motto wurden auf dieser Konferenz die globalen Machtstrukturen der Agrarindustrie beleuchtet und kritisch hinterfragt, welche Konsequenzen diese für unsere Gesellschaft und die Natur zur Folge haben.

Den Auftakt der Konferenz bildeten die Eröffnungsreden von Toni Hofreiter und der südafrikanischen Aktivistin Mariam Mayet vom African Centre for Biodiversity. Die Redner*innen verurteilten die Machenschaften der Agrarindustrie und identifizierten ökologische Landwirtschaft als den entscheidenden Weg hin zu einer grünen Agrarwende. Die Bundestagswahl 2017 wäre letztendlich die Chance, zumindest in Deutschland und Europa ökologische Landwirtschaft voranzubringen.

Eine stärkere inhaltliche Auseinandersetzung mit den Themenblöcken internationale Handelspolitik und Macht in der Agrarindustrie, erwartete unsere Gäste schließlich in sechs gleichzeitig stattfindenden Panels mit unseren Abgeordneten und Expert*innen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Als naturschutzpolitische Sprecherin hat auch Steffi Lemke gemeinsam mit dem entwicklungspolitischen Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Uwe Kekeritz, ein inhaltliches Panel zum Thema Land- und Oceangrabbing ausgerichtet.

Panel "Land- und Oceangrabbing - Raubbau auf Kosten von Mensch und Natur"

Bild: Franz Mönke

Zum Auftakt unserer Diskussion im Panel präsentierten die beiden Filmemacher Katja Becker und Jonathan Happ von Ujuzi.Media beeindruckende und hochemotionale Bilder von ihren Dokumentarreisen nach Kenia und Uganda. Sie zeigten uns, wie Staudämme für die Bewässerung von Zuckerrohr und Baumwolle in Äthiopien zum Austrocknen des Turkana-See in Kenia führen, der die Lebensgrundlage für hunderttausende Menschen bildet. In ihrem zweiten Film sind es hingegen Palmölplantagen des Großkonzern Wilmar in Uganda, die die einzigartige Natur zerstören und von Kleinbauern genutzte Landflächen beschlagnahmen.

Die vorgeführten Bilder der beiden Filmemacher sind jedoch keine Einzelfälle, es handelt sich vielmehr um eine globales Investmentschema, das in den vergangenen Jahren und insbesondere nach der Finanzkrise 2008 massiv zugenommen hat. Kerstin Nolte vom Giga Institut für Afrikastudien präsentierte unseren Gästen anschließend die vorliegenden wissenschaftlichen Daten und das enorme Ausmaß, das dieser „Wettlauf um Land“ in den letzten Jahren eingenommen hat. In einer von Kerstin Nolte betreuten Landmatrix werden alle bekannten „Landdeals“ aufgenommen und durchleuchtet, wer die Investoren sind und wie das Land genutzt wird.

Auch deutsche Gelder sind in diese Geschäfte verwickelt, die sich als Landraub herausstellen. Roman Herre von der entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisation FIAN zeigt, wie insbesondere Gelder der Deutschen Bank und deutscher Entwicklungsbanken wie der KfW in fragwürdige Geschäfte rund um Landnahmen verwickelt sind und wie diese entwicklungspolitisch gerechtfertigt werden. Roman Herre betont, dass sich die sozialen Konsequenzen von Landraub, im Hinblick auf die massiv anwachsende Bevölkerung in ländlichen Räumen des globalen Südens, noch deutlich verschlimmern werden.

Ähnliche Phänomen sind derweil auch in den Weltmeeren zu beobachten: Kai Kaschinski von Fair Oceans berichtete den Gästen unseres Panels, dass es zunehmend auch zu Veräußerungen von Meeresrechten kommt und unser Menschheitserbe Meer durch Privatisierung vollständig in die globale Ökonomie integriert werden soll. Entgegen der Versprechungen von Entwicklung, Wachstum und Meeresschutz wird durch diesen Prozess jedoch ausschließlich die Ausbeutung von Naturschätzen vorangetrieben und das Ökosystem Meer angegriffen.

Nach diesen vier eindrücklichen Vorträgen starteten wir gemeinsam mit den Gästen unseres Panels in eine intensive Diskussion: Hier wurde deutlich, dass die Teilnehmer*innen den Versprechungen der Landnahmen nach Entwicklung und Wachstum sehr misstrauen und sich mehr politische Instrumente gegen Landraub wünschen. Als grüne Bundestagsfraktion werden wir weiter im Austausch mit den Expert*innen stehen, um diesen Fehlentwicklungen politisch etwas entgegen zu setzen. Es ist für uns nicht hinnehmbar, dass unter dem Deckmantel von Wachstum und Entwicklung die Ausbeutung von Natur und Mensch weiter voranschreitet.

Bild: Franz Mönke

Es war ein spannender Tag und wir danken allen Teilnehmer*innen und Expert*innen, die uns bei unserer Agrarkonferenz besucht und mitgewirkt haben.

 

Beitrag: Franz Mönke

Verwandte Artikel