Zum Vorschlag der Fraktion Die Linke, eine „Ost-Quote“ in Bundesbehörden einzuführen die Rede von Steffi Lemke, parlamentarische Geschäftsführerin und naturschutzpolitische Sprecherin:
„Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir haben ein Problem – das wurde von meinen Vorrednern hinreichend beschrieben; ich will aufgrund der kurzen Redezeit die Zahlen nicht wiederholen –, und dieses Problem ist gravierend, objektiv und muss behoben werden. Die Lösung, die uns die Fraktion Die Linke mit der Ostquote vorschlägt, ist allerdings nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems, weil sie in die komplett falsche Richtung zeigt. Das sage ich als Vertreterin einer Partei, die für ihre obersten Bundesgremien eine Ostquote hatte: Für den Bundesvorstand der Grünen und den Parteirat galt diese und ist 2008 ausgelaufen. Vielleicht ist das größte Problem Ihres Vorschlages, dass er schlichtweg zu spät kommt, weil er gegenwärtig keine adäquate Lösung mehr sein kann. Das beweisen Sie am allerbesten, indem Sie sich in Ihrem Antrag um eine Definition, wer Ostdeutscher ist, herumdrücken. Sie nehmen diese Definition nicht vor, weil Sie es nicht können.
Herr Gysi hat das hier bei der Einbringung dieses Antrags damit umgangen, dass er auf den Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages verwies. Wenn man in dessen Gutachten hineinschaut, merkt man die ganze Krux dieses Problems; denn der Wissenschaftliche Dienst sagt: Entweder können es Leute sein, die heute bereits älter sind als 30 Jahre – sprich: vor 1989 im Osten gelebt haben –, oder welche, deren Eltern vor 1989 für längere Zeit im Osten gelebt haben. – Das ist angesichts einer Biografie, wie sie Bodo Ramelow hat, der seit Anfang der 90er-Jahre in Thüringen lebt und arbeitet, absurd, und das zeigt, dass Ihre Lösung schlicht und einfach keine ist. Dieser Vorschlag soll bei den Menschen im Osten erneut so ein bisschen Wohlgefühl nach dem Motto „Wir nehmen euch ernst; wir kennen eure Probleme“ verbreiten; er beinhaltet aber keine Problemlösung. Das ist das, was ich mit „komplett falsche Richtung“ meine.
Ich glaube, dass wir im Osten gerade in den nächsten Jahren völlig andere Probleme haben werden – zu Herrn Hirte komme ich gleich noch –, weil wir so viele unbesetzte Stellen haben werden – sei es im Verwaltungsapparat, bei den Behörden, in der Justiz –, dass wir eher in einem Konkurrenzkampf mit den alten Bundesländern darum stehen, wer denn Polizisten, Beamte, Lehrer, Richter und Ärzte in seinem jeweiligen Bundesland halten kann. Dort attraktive Arbeits- und Lebensbedingungen zu schaffen, das ist die Kernaufgabe für die neuen Bundesländer und für einen relevanten Teil von Regionen in den alten Bundesländern.
Ich habe außerdem als jemand, der aus Sachsen-Anhalt kommt, gar kein Interesse daran, qualifizierte, junge, engagierte Leute jetzt zwanghaft irgendwo außerhalb von Sachsen-Anhalt platzieren zu müssen. Ich möchte, dass sie bei uns bleiben, dass sie in Sachsen-Anhalt wirken und dass sie dort ihre beruflichen Karrieren und privaten Lebensläufe begründen und nicht so wie Anfang der 90erJahre in Massen in die alten Bundesländer gehen. Herr Hirte, ich möchte Sie dennoch ansprechen. Denn die Rede, die Sie eben gehalten haben, haben Sie im März dieses Jahres mehr oder weniger schon einmal gehalten. Ich erwarte von einem Vertreter der Bundesregierung mehr als Problemanalysen.
Sie haben zugestimmt, Sie haben das große Problem beklagt und bejammert, aber keinen einzigen Satz dazu gesagt, was Sie zur Hebung des Anteils von Menschen mit ostdeutscher Biografie in den oberen und obersten Bundesbehörden planen, was Sie seit März getan haben und was Sie in den nächsten zwölf Monaten tun werden. Das werden wir von Ihnen einfordern. Ich will wissen, was Sie den ganzen Tag für die Lösung dieses Problems und auch anderer Probleme tun. Ich schlage Ihnen vor, dass Sie selber aktiv werden und diesbezüglich einen Aktionsplan auflegen. Danke“
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